Hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen … erwartet die Reisenden ein echtes Riesling-Eldorado. Aber auch andere Rebsorten wachsen im rechtsrheinischen Mittelgebirge (im Gegensatz zu den Zwergen) ganz wunderprächtig. Traubengucker war unterwegs im Siebengebirge, der nördlichen Spitze des kleinen Qualitätsanbaugebietes Mittelrhein.
Märchenhaft mäandert der Rhein um die Inseln Nonnenwerth und Grafenwerth, vorbei am sagenumwobenen Drachenfels stromabwärts in Richtung Bonn. Wer bei güldener Herbstsonne hier nicht zum Romantiker wird, kann sich getrost in den Schneewittchensarg legen.
Nur die Bergstraße ist kleiner
Das malerische Weinanbaugebiet Mittelrhein erstreckt sich von der Grenze zum Rheingau im Süden bis kurz vor die Tore Bonns im Norden. Reben hatten hier bereits die Römer mitgebracht und gepflanzt. Der größere südliche Teil des Gebiets (von Lorch bis Linz) wird als Bereich Loreley, der kleinere nördliche als Bereich Siebengebirge bezeichnet. Der Rhein dient mit seinem großen Volumen als hervorragende „Wärmflasche“, die neben den vielen Sonnenstunden das Klima in den Weinbergen zusätzlich positiv beeinflusst.
Mit rund 460 Hektar Anbaufläche ist Mittelrhein das zweitkleinste Qualitätsanbaugebiet Deutschlands. Nur die Hessische Bergstraße ist mit ca. 450 Hektar Anbaufläche noch kleiner. Dabei war das Weinanbaugebiet Mittelrhein in der 1970er-Jahren noch mehr als doppelt so groß mit einer Rebfläche von über 1.000 Hektar. Der Trend ist also stark rückläufig. Entsprechend selten trifft man Weine vom Mittelrhein in Hamburger, Berliner oder Münchener Supermärkten und Weinläden.
Was trinkt die Loreley so?
Rebsortentechnisch thront hier über allem der Riesling: Rund 70 Prozent der Gesamtanbaufläche ist ihm gewidmet. Diesem Sonderstatus zollt auch die sogenannte Mittelrhein Riesling Charta Tribut.
Spät-, Weißburgunder und Müller-Thurgau zählen zu den weiteren Hauptsorten. Prägend sind zudem die atemberaubenden Steillagen, die den Winzern allerdings einiges abverlangen. Im Gegensatz zum Bereich Loreley fußt der Bereich Siebengebirge größtenteils auf Böden vulkanischen Ursprungs.
Ein wichtiger Player im Bereich Siebengebirge ist das Weingut Pieper. Mit einer Rebfläche von neun Hektar sind die Königswinterer sogar das größte Weingut Nordrhein-Westfalens. Die Weine von Felix Pieper wachsen zum Teil auf Trachyt-Boden, einem vulkanischen Gestein. So auch der Einstiegs-Riesling „Trachyt“, der mit einer feinen Mineralik, aber vor allem straffen Säure an die Riesling-Stilistik aus dem benachbarten Rheingau erinnert.
Eine Schippe drauf legt der Riesling „Septimontium“ (Sieben Berge), der bei ähnlichem Charakter noch eine grazile Feinwürzigkeit und angedeutete Wachsnote mitbringt – unterstützt durch einen sanften Holzeinsatz. Aber auch schmelziger Chardonnay aus dem Barrique, Gewürztraminer oder Grüner Veltliner (nach eigenen Angaben der nördlichste, der weltweit angebaut wird) hat Pieper im Angebot und zeigt stellvertretend so, was hier im kleinen Anbaugebiet Siebengebirge alles möglich ist.
Diversität im Siebengebirge: Von Gelb bis Schwarzblau ist alles dabei
Und diese Vielfältigkeit unterstreicht auch Winzer Kay Thiel, dessen Weingut Kay Weine in direkter Nachbarschaft zum Weingut Pieper ebenfalls in Königswinter anzutreffen ist: „Unsere Weinberge erstrecken sich ja auf 35 Rheinkilometern von Dollendorf, über Dattenberg bis nach Leutesdorf. Daran besonders ist, dass diese drei Standorte drei verschiedene Böden mitbringen: Lehm, Grauwacke und Schiefer. Drei Rieslinge, drei komplett unterschiedliche Weine!“
Ähnlich wie Felix Pieper ruht sich Thiel aber auch nicht auf dem Geschäft mit dem Riesling aus. Neben Auxerrois, Blauem Arbst (eine Spätburgunder-Mutation), Schwarzblauem Riesling (eine fast ausgestorbene Sorte, die vor der kleinen Eiszeit unter anderem in Lothringen-Elsass verbreitet war) findet sich auch die Sorte Gelber Malinger in Thiels Weinberg. Warum eigentlich?
„Einfache Antwort: Der stand da!“, erklärt der Winzer uns kurzer Hand und fügt ergänzend hinzu: „Wir bauen den trocken und komplett im Holz aus.“ Wer jetzt neugierig geworden ist, hat im Online-Shop vom zertifizierten Bioland-Betrieb Kay Weine die Gelegenheit, diese Kreuzung aus dem 19. Jahrhundert nach Hause zu bestellen.
Hauptsache, es rhönt
Am südlichen Fuße des Drachenfels, direkt an einem Weinhang, liegt Rhöndorf. Bekannt geworden ist der Stadtteil Bad Honnefs vor allem als Wohnort Konrad Adenauers. Der heimelig-nostalgische Mief der alten Bonner Republik weht hier in der Tat noch durch die Gassen, was aber keineswegs despektierlich klingen soll. Bei einem Glas Federweißer und einem großzügigen Stück Zwiebelkuchen kommt hier auch der Burn-out-gefährdete Spitzenmanager aus der Großstadt schnell wieder runter.
Frei nach dem Adenauer’schen Grundsatz „Keine Experimente“ wird hier kompromisslos jährlich (mit Ausnahme der „Corona-Jahre“, versteht sich) das Rhöndorfer Weinfest begangen. In diesem Jahr durfte Bürgermeister Otto Neuhoff auf dem Ziepchensplatz die medizinische Fachangestellte Janina Mehr offiziell zur neuen Weinkönigin küren. Bratwurstduft, der Spielmannszug vom TV Eiche und DJ Andy gaben dem Ereignis einen würdigen Rahmen. Janina I. löst damit ihre Vorgängerin Aaliyah ab. Ihr Weinspruch lautet: „Hier in Rhöndorf, wo der Wein so fein, da lädt der Ziepchensplatz zum Verweilen ein.“ Das können wir nur unterschreiben. Lang lebe die Königin!