Jeder hat es schon mal gesehen: dieses goldene Netz, mit dem manch spanischer Wein dekoriert ist. Wer denkt, dies sei nur unnötiges Gebimsel, um den Inhalt aufzuwerten, hat – aus heutiger Sicht – nicht komplett unrecht. Aber es gibt eine spannende Geschichte dahinter.
Ursprünglich wurde der sogenannte Alambrado (aus dem Spanischen: Verdrahtung) in der Rioja erfunden, um hochwertige Weine vor Fälschern und Weinpanschern zu schützen. Insbesondere bei hochklassigen Reserva- oder Grand-Reserva-Weinen sollte der Kunde sichergehen können, dass er für sein Geld einen buchstäblich geschützten Wein bekommt (und keinen zwischendurch heimlich in die Flasche geschütteten Massenwein). Noch bis heute wird der Alambrado so um die Flasche gelegt, dass ein zwischenzeitliches Öffnen nicht unbemerkt bliebe.
Alambrado als Gütesiegel
Dennoch hat sich das Prinzip des Alambrado heute durch die Einführung des Appelationssystems nach französischem Vorbild quasi erübrigt. Denn als Qualitätsmerkmal dient seit den 1990er-Jahren ausschließlich – freilich neben dem Namen des Herstellers – der Hinweis auf die jeweilige Herkunftsangabe (DOCa oder DO), meistens als Banderole am Flaschenhals.
Trotzdem scheint sich der Alambrado nicht freiwillig in den Draht-Himmel verabschieden zu wollen. Und so bleibt er als zu spanischen Weinen dazugehörige Folklore auch in Supermarktregalen hie und da unverzichtbar. Besonderen Wert auf den Alambrado legen angeblich die Skandinavier, weshalb bei Exporten in den Norden genauestens auf die Verdrahtung geachtet wird. Vielleicht macht IKEA ja aus den Drähten heimlich Aufhängungen für Bilderrahmen … man weiß es nicht.
Die meisten Weine heute drahtlos
Interessant wird es allerdings, wenn ein Discounter eine Gran Reserva aus der Rioja für weniger als zehn Euro anbietet – gerne im Alambrado. Denn in der Rioja sind Begrifflichkeiten wie Reserva oder Gran Reserva juristisch geschützt: Eine Reserva muss mindestens drei Jahre reifen, eine Gran Reserva sogar fünf (davon mindestens zwei Jahre im Barrique-Fass). Andere spanische DOCas oder DOs haben gleichwohl davon abweichende Standards.
Wenn also ein solcher Wein, besonders gerne zur Weihnachtszeit, für unter zehn Euro oder noch weniger im Supermarktregal steht, sollte man zumindest wachsam sein. Der um die Flasche gesteckte Alambrado hat hier im Zweifel nämlich nur eine Aufgabe: Er soll dem Kunden eine Wertigkeit des Weines suggerieren, die angesichts des Preises sehr schwer zu erfüllen sein dürfte (ähnlich verhält es sich übrigens häufig mit Primitivo-Weinen aus Apulien, die in dicken, massiven Flaschen protzig im Regal stehen).
Aber natürlich entscheidet in solchen Fällen nicht nur der persönliche Geschmack, es kann sich bei LIDL, Aldi, Netto und Co. sicherlich auch mal ein Tropfen von überraschend guter Qualität zum Schnäppchenpreis ins Regal verirren.
Falls der Wein dennoch eher zum Wegschütten statt zum damit Zuschütten animiert, kann man den Alambrado immerhin noch hübsch an den Weihnachtsbaum hängen. Olé Fröhliche!