Ein Glas Uhudler vor blauem Himmel.
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Uhudler – der (fast) verbotene Wein 

Wir befinden uns im Jahre 2024 n. Chr. Ganz Europa ist von europäischen Rebsorten besetzt … Ganz Europa? Nein! Ein von unbeugsamen Weinbauern bevölkertes Bundesland hört nicht auf, der EU Widerstand zu leisten. 

… mit diesem abgewandelten Asterix-Zitat könnte man den Status quo des Uhudlers und die besondere Beziehung zwischen dem österreichischen Bundesland Burgenland und der Europäischen Union zusammenfassen. Trotzdem werden die wenigsten von euch jetzt schlauer sein. Deshalb nun die ganze Geschichte nochmal in Kürze.

Die Reblaus und der Rollschuh

Zwei beachtliche Dinge kamen 1863 aus Amerika. Zum einen der Rollschuh – zumindest meldete der Erfinder James L. Plimpton seinen Schuh mit vier Rollen beim Patentamt an. Zum anderen – und das war deutlich unschöner – die Reblaus.

1863 wurde sie erstmals in französischen Weinbergen nachgewiesen. In atemberaubendem Tempo (und ganz ohne Rollschuhe) fraß sie sich durch die Weinregionen Europas und zerstörte auf viele Jahrzehnte ganze Rebbestände.

Als gut vier Jahrzehnte später endlich ein Kraut gegen sie gewachsen war, war es vielerorts aber zu spät: Zig Rebsorten waren für immer unwiederbringlich verschwunden.

Uhudler – renitent und resistent

Eine Karte an verschiedensten Uhudler-Variationen auf dem Wiener Prater.
Variantenreich: Die Uhudler-Karte auf den Kaiser Wiesn des Wiener Praters. Mutige entscheiden sich für „Eros“.

Als resistent gegen die aus Amerika eingeschleppte Reblaus zeigte sich die amerikanische Urrebe (vitis labrusca), die sich genetisch und leider auch geschmacklich sehr von ihrem europäischen Pendant (vitis vinifera) unterscheidet. Mit folgendem Kniff konnte man rasch wieder die geliebten europäischen Sorten auf heimischem Boden anpflanzen: Man pfropfte sie einfach auf die Unterlage einer reblausresistenten amerikanischen Rebe. Und das macht man übrigens bis heute so (wobei es auch noch wenige Regionen gibt, in denen die Reblaus sich noch nicht blicken ließ – zum Beispiel auf Zypern oder in Chile).

Okay, und wann kommt endlich der Uhudler ins Spiel? Jetzt! Da das Kreuzen und Aufpfropfen von Reben kostspielig war und immer noch ist, hat man sich in Regionen, in denen der Weinbau eher Nebenerwerb war, mit den Originalreben aus der neuen Welt, sogenannten Direktträgern, eingerichtet. 

Der Wein schmeckte zwar überschaubar, nach dem dritten Glas ging es aber. Das Burgenland im Südosten des heutigen Österreichs war eine solche Region. Und der Wein aus amerikanischen Direktträgern heißt dort Uhudler.

„Machen uns große Sorgen!“

In den folgenden Jahrzehnten des ausklingenden 20. Jahrhunderts wurde es dem Uhudler rechtlich immer wieder schwer gemacht. Er wurde stark eingeschränkt, zwischenzeitlich sogar strikt verboten und nur für den Hausgebrauch zugelassen (unter anderem nahm man fälschlicherweise an, er sei stark gesundheitsschädlich – also abgesehen vom Alkohol, versteht sich).

„Die spezifischen Giftwirkungen sind: Zornexzesse bei Männer, Hysterie bei Frauen, Neigung zu Halluzinationen, geistige und körperliche Degenerationserscheinungen bei Kindern (…)“

aus „Die Direktträger (Hybrides producteurs directs)“, Fritz Zweigelt & Albert Stummer (1929).

1995 trat Österreich schließlich der EU bei, was nochmals einen langen Rattenschwanz an Regularien nach sich zog. Aktuell muss der Uhudler jedenfalls wieder darum bangen, vom Wein zum Obstwein degradiert oder gar verboten zu werden. Angebaut werden darf er nur im Burgenland und auf 40 ha in der Steiermark.

„Natürlich machen wir uns Sorgen!“, sagt Uhudler-Produzent Walter Lorenz aus Jennersdorf eindringlich im Gespräch mit Traubengucker und macht deutlich, dass bei den leidgeprüften Burgenländischen Winzerinnen und Winzern die Beunruhigung groß ist: „Unser Betrieb basiert auf Uhudler in Bio-Qualität. Ein Verbot wäre für uns aber auch für das Südburgenland ruinös. Wir würden ein Lebenselixier und auch einen USP für unsere Region verlieren.“

Nachhaltigkeit ein großes Plus

Der stille Uhudler und die Perlwein-Version von Walter Lorenz stehen nebeneinander auf dem Tisch.
Zwei buchstäblich dufte Typen: der Uhudler-Stillwein (links) und sein schäumender Bruder.

Und in der Tat ist ein großer Vorteil der Uhudler-Rebsorten mit amerikanischer und damit resistenter Vergangenheit, dass sie in der Regel nicht gespritzt werden müssen und damit nachhaltiger als ihre alteingesessenen europäischen Vettern sind.

Lorenz stellt Uhudler aus der Sorte Ripotella (auch Concord oder Ripatella genannt) her, eine Kreuzung, die auch Gene der europäischen vitis vinifera enthält: „Sie eignet sich sowohl für die Wein- und Schaumweinproduktion als auch als Speisetraube.“

„Frisch, fruchtig, einzigartig“, so beschreibt Walter Lorenz den Uhudler. Und zumindest letzteres Attribut möchte man sofort unterschreiben. Oder anders: Wer einmal einen Uhudler im Glas hatte, vergisst das Aroma nie wieder. Ein fast schon artifiziell wirkender Erdbeer-, Himbeer-/Kirschgeruch in Verbindung mit Eisbonbon springt einem direkt und vehement ins Gesicht. In diesem Zusammenhang spricht man auch vom typischen Fox-Ton, den amerikanische Urreben allesamt gemein haben: ein herber Duft, der sowohl Assoziationen an wilde Waldbeeren als auch an nasses Fuchsfell weckt.

Wer sich an die Materie erst einmal vorsichtig herantrauen und nicht gleich komplett in den Fuchsbau steigen möchte, für den ist die Frizzante-Variante eventuell etwas. Der Perlwein von Walter Lorenz etwa wäre ein durchaus überraschender Aperitif auf der Terrasse. 

Burgenländer Zukunft entscheidet sich in Brüssel

Als kuriose Stilblüte, die durch dramatische Umstände vor etwas mehr als 100 Jahren entstand, hat dieser besondere Wein doch seinen Namen auf die Karte gesetzt. Das sollte in Ehren gehalten, seine Nachhaltigkeit unterstrichen werden. Und da Diversität auch dem Weinbau gut steht, wäre es mehr als schade, sollte der Uhudler in naher bis ferner Zukunft von der Brüsseler Bürokratie verboten werden.

Ihr bekommt den Uhudler natürlich am einfachsten direkt im Burgenland beziehungsweise in größeren Weinläden der Alpenrepublik. Wer nicht soweit kommt, für den bietet der Münchner Weinshop Ösiwein eine gute Möglichkeit mit einem Versand innerhalb Deutschlands. Auch die hier verkosteten Weine habe ich dort käuflich erworben. 

Wer sich tiefer in die rechtliche Materie hineinlesen möchte, dem empfehle ich diesen Artikel der Burgenländischen Volkszeitung oder diese Darstellung des österreichischen Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft mit weiterführender Materialsammlung.

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