Wenn es einen Teil Frankreichs gibt, wo sich regenfeste Kleidung auch im Sommer lohnt, ist es sicherlich die Bretagne. Der äußerste Nordwesten des Hexagons, wie Franzosen ihr Land sehen, ist bekannt für seine schroffen Küsten und atemberaubenden Landschaften. Weniger berühmt ist die Bretagne dagegen für ihren Wein (und wir reden nicht von Cidre). Das hat Gründe …
Knapp über 80 Jahre ist es her, da konnte die Bretagne noch mehrere tausend Hektar Rebfläche an Qualitätswein vorweisen. Allein die in den 1930er-Jahren als AOC (Appellation d’Origine Contrôlée) klassifizierten Gebiete Muscadet und Muscadet Sèvre et Maine reichten grob zusammengezählt von der Atlantikküste über 80 Kilometer entlang der Loire bis tief hinein ins Landesinnere.
Diese Weinberge sind heute noch immer da, sie gehören offiziell nur nicht mehr der Bretagne an.
Die Bretagne weintechnisch in der Bredouille
Im Jahr 1941 entschied eine Gebietsreform (durchgeführt vom Vichy-Regime!), dass die bis dahin bretonische Hauptstadt Nantes, samt ihrer sie umgebenden Weinberge, von nun an zum Département Loire-Antlantique zu gehören hatte. Neue Hauptstadt der Bretagne wurde Rennes (keine Weinberge). Diese Aufteilung hat interessanterweise bis heute Bestand.
Noch heute gibt es intensive Bestrebungen vieler Bretonen, sich wieder mit ihrer ehemaligen Hauptstadt zu vereinigen. Exemplarisch dafür dürften die Muscadet-Weine gesehen werden, auf deren Flasche die bretonische Flagge und das Label „Produit en Bretagne 5“ prangt, obwohl sie eben streng genommen „nur“ aus dem Département Loire-Atlantique kommen. Auf der Homepage des Labels wird übrigens auch kein Hehl daraus gemacht, dass es den Machern um „eine wiedervereinigte Bretagne“ geht. Die 5 steht in diesem Zusammenhang unter anderem für die fünf ursprünglichen Départements der Bretagne, darunter auch die abhandengekommene Provinz Loire-Atlantique. (Könnte man aus deutscher Sicht natürlich auch mal wieder mit dem Elsass probieren … kleiner Scherz!)
Muscadet ist nicht Muscat
Zusammengefasst lassen sich die ehemals bretonischen AOCs unter dem Gebietsnamen Pay Nantais bündeln. Tonangebend und synonym mit dem Begriff Muscadet ist die weiße Traube Melone du Bourgogne, die – Achtung, Verwechslungsgefahr – nichts mit der Muskateller-Traube (auch als Muscat zu finden) zu tun hat, geschmacklich sogar eher das genau Gegenteil ist: ein Wein, der perfekt zu Austern passt – und eben keine fette, ausladende Bukettsorte, wie der Muskateller eine ist. Eine weitere, wenn auch untergeordnete, Rolle spielt die Weißweinsorte Folle blanche (auch als Gros Plant bekannt).
Muscadet-Weine findet man auch zuverlässig in deutschen Weinregalen. Zwar nicht in Hülle und Fülle, aber oft als Einzelposition, mitunter auch bei Discountern. Preislich bewegen wir uns da meist in einem Bereich von bis zu zehn Euro pro Flasche. Wir sprechen also von einem Wein, der vom Können und damit auch vom Preis her gewissermaßen limitiert ist. Das ist aber keineswegs als Makel zu bewerten. Seine Säure und der knochentrockene Ausbau machen ihn zum perfekten Begleiter zu Muschel- und Fischgerichten – gerade, wenn man sich keinen Chablis leisten möchte oder kann.
Bretonischer Wein (in echt jetzt)
Und doch arbeiten die Bretonen fleißig an ihrem ganz eigenen Weinberg, also innerhalb der offiziellen Grenzen der Region. Südlich der malerischen Stadt Saint-Malo und unweit des Örtchens Saint-Suliac steht der Mont Garrot. Hier wachsen auf quarzhaltigem Boden rund 1.000 Reben. Sortentechnisch bleibt es angenehm überschaubar: Für Weißwein kommt nicht etwa Muscadet, sondern Chenin Blanc zum Einsatz; für den Rotwein greift man auf die PiWi-Sorte Rondo zurück. Chenin kommt vor allem an der Loire (nur etwas weiter südlich) und in Südafrika (sehr viel weiter südlich) zum Einsatz. Für die ebenfalls an der Loire gerne eingesetzte rote Traube Cabernet Franc scheint das Reizklima der Bretagne dagegen etwas zu reizend zu sein, weshalb die wetterfeste Neukreuzung Rondo den Vorzug erhielt.
Abschließend lässt sich also feststellen, dass auch in der Bretagne die alte Wein-Binse „What grows together, goes together“ gilt. Muscadet (oder auch Folle blanche) ist geradezu für eine Liaison mit Austern gemacht. Und damit hier keine Gerüchte aufkommen, dass die goldene American-Express-Karte des Autors etwas zu locker sitzt: Austern (von einer Größe, die Sylt-Touristen die Tränen in die Augen treibt) gelten in der Bretagne quasi als Fast Food. Für den Tarif einer Portion mit einem Glas Muscadet wird man in der „Sansibar“ auf Sylt maximal aufs Klo gelassen. In diesem Sinne: santé!
2 Comments on “Klein, aber Malo: Weine aus der Bretagne”