Vielleicht habt ihr auf manchen Etiketten von roséfarbenen Weinen schon einmal das Wort „Rotling“ gelesen. Und vielleicht hat es euch auch gar nicht groß interessiert, was es mit dem Begriff auf sich hat. Macht nichts, ich erzähle es euch trotzdem.
Jetzt, wo es wieder warm wird und man selbst in Norddeutschland an zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit offener Jacke zum Bäcker laufen kann, sehen Supermärkte und Weinfachgeschäfte wieder rosa beziehungsweise stellen ihre Roséweine ansprechend in ihre Auslage.
EU setzt klare Vorgaben in Sachen Rosé-Zubereitung
Und dort überwiegen in der Regel Rosés aus Südfrankreich (Languedoc, Provence!), Spanien und immer mehr auch aus deutschen Anbaugebieten wie der Pfalz, Rheinhessen oder Baden. Fast immer sind europäische Roséweine Erzeugnisse aus ausschließlich roten Trauben. Ausnahmen bilden hier etwa die Côtes du Rhône, wo auch weiße Trauben beigemischt werden dürfen. Oder aber die Champagne, wo sogar fertiger weißer und roter Wein miteinander verschnitten werden darf, was ausschließlich und nur bei Rosé-Champagner EU-weit erlaubt ist.
Und hier tritt der Rotling aufs Parkett. Bei ihm verhält es sich nämlich so, dass er ebenso aus weißen und roten Trauben besteht, die aber erst – und das ist der springende Punkt – gemeinsam vergoren werden müssen. Die alkoholische Gärung beginnt also erst, wenn weiße und rote Trauben beieinanderliegen.
Der Rotling als eigene Weinart
Im Ergebnis verfügen Rotlinge über eine nicht geringe Restsüße (und jetzt ergibt der schlechte Wortwitz in der Überschrift auch Sinn) – anders als ihre Rosé-Kollegen, die gerne auch trocken ausgebaut werden.
„Rotling als eine eigene Weinart, gleichzeitig gepresst aus roten und weißen Trauben, ist an sich schon etwas Besonderes … und eben kein etwas dunkler Rosé“, beschreibt Astrid Müllers vom Juliusspital in Würzburg im Gespräch mit Traubengucker den Rotling und ergänzt: „Auf der einen Seite hat man die frischen und fruchtigen Anteile der weißen Trauben und darüber hinaus die Struktur des Tannins der roten Sorten.“
„Unkonventionell trifft es vielleicht. Etwas, was man geschmacklich nicht erwartet.“
Astrid Müllers vom Juliusspital über den Rotling
Genießen sollte man das Glas Rotling natürlich am besten stilecht bei einem träumerischen Blick auf den Main (Elbe, Yukon oder Jangtse gehen natürlich ebenso). Aber auch als Essensbegleiter weiß Astrid Müllers ihn zu schätzen und hat für Traubengucker sogar einen exklusiven Tipp: „Gerade die Kombi mit scharfen, würzigen oder auch ,smoky‘ Speisen ist ein Aha-Erlebnis.“
Und wer bei Aha-Erlebnis auch gleich „Take On Me“ im Ohr hat, der gieße sich bitte beim Lesen noch ein weiteres Glas hinterher. Bis der Ohrwurm wieder weggeht.
Rotling – die Tante Inge unter den Weinen
Mit am geläufigsten ist die Bezeichnung Rotling im Anbaugebiet Franken. Und hier kennt sich Anna-Maria Gamm vorzüglich aus. In ihrer Vinothek in Iphofen bei Würzburg hat sie nicht nur von Berufswegen mit fränkischen Weinen und im Speziellen mit Rotling zu tun. Letzteren würde sie in drei Worten mit „Allrounder, sommerlich und gesellig“ beschreiben und fügt im Gespräch mit uns hinzu: „Mein drittes Wort wäre eigentlich ‚Tante Inge‘, weil meine Tante Inge immer Rotling trinkt und sie für mich eigentlich genau den Charakter vom Wein widerspiegelt. Sie sorgt für Harmonie in der Familie, ist gesellig und feiert gerne Feste.“
So eine Tante Inge hätte jeder gerne in der eigenen Familie – alternativ stellt man sich bei Festen dann halt eine Flasche Rotling hin. Das macht ihn gleich noch sympathischer.
„Oft wird der Rotling auch einfach mit dem Rosé verwechselt oder gleichgestellt, dann klären wir natürlich den Unterschied.“
Anna-Maria Gamm
Von Rotgold bis Schieler
Weiter südwestlich in Baden schätzt man das Getränk unter dem Begriff Rotgold (auch schön!), in Württemberg als Schillerwein.
Auch im Anbaugebiet Sachsen wird diese Art von Wein traditionell hergestellt und nennt sich dort übrigens Schieler. Also am besten nur so viel trinken, wie man auch verträgt – nomen est omen.
Und wer tatsächlich mal in Unterfranken zugegen ist, dem empfehle ich unbedingt einen Besuch sowohl in der Vinothek Iphofen (zum Beispiel als Belohnung nach dem Besteigen des Julius-Echter-Bergs direkt nebenan) als auch im Juliusspital mit seinem tollen Gartenpavillon mitten in der Würzburger Altstadt. Wer dann eine Cola bestellt, ist allerdings selbst schuld.
Was für ein witzig geschriebener Artikel! Und profund obendrein! Rotling muß man tatsächlich in Franken trinken. Für Romantiker ist ein lauer Sommerabend mit Rotling auf der alten Main-Brücke in Würzburg (der legendäre „Brückenschoppn“) und Blick auf Main und beleuchtete Festung ein Muss.
Die Franken lieben ihren Rotling. Und jedes Weingut hat seine „Geheim-Cuvée: mal ist der Anteil an weißen Trauben etwas größer, mal der der roten Trauben. Mal überwiegen die Bukettsorten, mal die mit etwas mehr Weinsäure. Je nach Philosophie des Weinmachers. Aber eines ist allen Rotlingen gemeinsam: immer muß er etwas natürliche Restsüße haben, muß leicht sein und erfrischend spritzig. Und möglichst jung. Der Wein für Sommer und Terrasse!
Liebe Lynda! Vielen lieben Dank für den nicht minder profunden Kommentar. Darauf einen Rotling! (Im Bocksbeutel oder auf der Mainbrücke) 🙂