Es gibt sie noch immer: Weinregionen in Italien, die man auf der Landkarte erstmal finden und selbstbewusst einkreisen muss. Die Euganeischen Hügel (Italienisch: colli euganei) zählen sicherlich dazu. Anzutreffen ist die zu Venetien gehörende Hügelgruppe südwestlich der Stadt Padua, kurz bevor der Po die natürliche Grenze zur Emilia-Romagna bildet.
Namentlich wird sich auf das Volk der Eugeneer bezogen, das sich noch vor den Venetern auf der Ecke breitmachte. Klar, im Schutz der Alpen im Norden und unweit der Adria lässt es sich gut aushalten. Quasi als besonderes Schmankerl kommt hinzu, dass das Gebiet durch seine geothermischen Aktivitäten heiße Quellen generiert (welche aber wohl erst von den Römern genutzt wurden). Dies führte unter anderem dazu, dass die Euganeischen Hügel heute – neben ihrer Funktion als Naturpark – auch für ihre Kurorte wie Abano oder Montegrotto bekannt sind.
Breite Palette an Sorten und Stilen
Auch weinbautechnisch sitzt man hier quasi direkt an der Quelle. Sehr unterschiedliche Zusammensetzungen der Böden auf wenig Hektar machen die Arbeit für die Winzerinnen und Winzer so lukrativ wie besonders. Das Weingut Il Pianzio hat seinen Sitz mitten im Parco Regionale dei Colli Euganei. Umgeben ist es dort idyllisch von Wein, Oliven und Zypressen. Dazu gesellen sich die charakteristischen grünen Hügel, die wie aus Steckschaum in die Landschaft modelliert zu sein scheinen.
Stellvertretend für die Region bietet das Haus eine ganze Breite an Weinen und Stilistiken an. Von leichtfüßigen Weißweinen (etwa Weißburgunder) und prickelnden Perlweinen in weiß und rosé geht es über markante Rotweine (vor allem aus den Bordelaiser Sorten Merlot und Cabernet Sauvignon) bis hin zum bekanntesten Wein der Colli Euganei: der Fior d’Arancio, ein süßer Schaumwein mit DOCG-Siegel.
Laura Selmin vom Weingut gerät bei dem Schäumer regelrecht ins Schwärmen: „Hier haben wir einen Wein, in dem die Düfte der Orangenblüte am besten zum Ausdruck kommen. Sicherlich ein süßer Wein. Aber dank eines guten Gleichgewichts zwischen Süße und Säure wirkt er nicht süßlich. Im Gegenteil: Ein angenehmer Wein, der sich sehr gut auch für herzhafte Kombinationen eignet, wie zum Beispiel mit einem weichen Ziegenkäse.“
Orangen im Glas und ein seltener Halb-Sizilianer
Gekeltert wird der Fior d’Arancio aus der Traube Gelber Muskateller. Diese ursprünglich griechische Rebsorte bringt würzig-aromatische Weine ins Glas und wird seit eh und je in den Euganeischen Hügeln angebaut. Entsprechend wird der Gelbe Muskateller – nicht nur im Hause Pianzio – auch trocken zu Stillwein oder nach Rosinierung der Trauben zu Dessertwein verarbeitet.
Eine ähnlich große Range an Rebsorten hat das Weingut Ca Lustra Zanovello, gute sechs Kilometer von Il Pianzo in Richtung Südwesten entfernt, in seinem Portfolio. Zusätzlich sticht hier der Süßwein Nero Musqué hervor. Er wird aus der seltenen und fast verloren gegangenen Rebsorte Schwarzer Muskateller (Moscato Nero) gemacht. Allerdings findet die Produktion nicht hier in den Euganeischen Hügeln statt, sondern auf Sizilien. Auf der Mittelmeerinsel ist das Weingut mit der Universität Palermo und dem dortigen Regionalen Institut für Wein und Öl (IRVO) eine Zusammenarbeit zur Rettung dieser alten Sorte eingegangen. Tatsächlich stammen die mittlerweile auf Sizilien angebauten Rebstöcke mit Schwarzem Muskateller aus einer Handvoll Knospen, die Anfang der 2000er in den Euganeischen Hügeln gerettet wurden. Klingt kitschiger als ein Sat.1.-Film, ist aber wahr.
Grund für den Transfer auf die Insel war, dass die Bestäubung in den Euganeischen Hügeln nicht immer zuverlässig funktionierte. Auf Sizilien fand man weitaus günstigere Bedingungen für die anspruchsvolle Rebsorte: „Im Laufe der Zeit haben wir die Produktion ausgeweitet, was durch die ständige Meeresbrise begünstigt wird: Wir befinden uns auf den Hügeln über dem Golf von Castellammare“, sagt Linda Zanovello vom Weingut und fügt ein besonderes Zusammenspiel aus Klima und Rebsorte an: „Wenn die Trauben ihre Reife erreichen, verwelken sie innerhalb weniger Tage und geben uns einen süßen, aber ausgewogenen, intensiven und komplexen Geschmack.“
Die große Bodenoffensive der Euganeischen Hügel
Gemeinsam haben Sizilien und die Euganeischen Hügel jedenfalls die teilweise aus vulkanischer Erde bestehenden Böden. Ein Qualitätsmerkmal der Colli Euganei ist aber sicherlich, dass auf wenigen Hektar ganz unterschiedliche Bodenzusammensetzungen anzutreffen sind.
„Gerade weil wir unterschiedliche Böden und Klimazonen haben, gibt es viele – vielleicht zu viele – Sorten, die gute Ergebnisse liefern“, meint Linda Zanovello und schwört vor allem auf Weißen und Gelben Muskateller, Garganega, aber auch die ausgefalleneren Sorten Manzoni Bianco und Tai Bianco. „Das Ergebnis ist aufgrund der Kombination von Rebe, Boden und Klima sicherlich unterschiedlich, aber ich finde, genau das ist der Reichtum der Euganeischen Hügel: Jedes Mal, wenn man sich bewegt, auch wenn es nur ein paar Meter sind, entdeckt man andere Facetten.“ Wer sich für die verschiedenen Lagen des Weinguts interessiert, der kann sich auf dieser interaktiven Karte eine Übersicht verschaffen.
Auch auf dem Weingut Il Pianzio wird durch diese Voraussetzungen für jede Rebe der richtige Ort gefunden: „Ein Teil der Weinberge befindet sich an den Hängen des Monte Rua im Pianzio-Tal, wo sich die Kellerei befindet“, erklärt Laura Selmin und ergänzt: „Hier haben wir sicherlich sehr mineralische Böden, die reich an vulkanischem Mergel sind.“
Serprino Frizzante – das perlt
Schließlich gebe es in der zum Weingut gehörenden Anbaufläche noch Ausläufer, die in geringerem Maße mineralisch sind, einige sedimentäre Bereiche und Weinberge in der Ebene mit „sehr organischen und nährstoffreichen Böden“. Macht insgesamt eine Auswahl von 20 Rebsorten.
Unter diesen 20 Rebsorten anzutreffen ist auch Glera. Vor allem bekannt ist Glera als Prosecco-Traube, die nahezu ausschließlich im Nordosten Italiens (Venetien und Friaul) verbreitet ist. Bis Ende 2009 hieß sie sogar Prosecco, wurde aus Gründen des Gebietsschutzes aber umbenannt. Ein Synonym für Glera ist jedenfalls Serprina. Und mit einer Vokalwandlung kommt die Traube als Serprino in den Colli Euganei häufig ins Glas beziehungsweise die Flasche.
Wie beim Prosecco bringt Glera vor allem mit leichter Perlage noch etwas mehr Freude ins Glas. Der Serprino geht hier als Frizzante, also Halbschäumer (Perlwein), über die Theke. Und für wen die Euganeischen Hügel bislang böhmische Dörfer waren, der fängt am besten mit diesem Wein an (so ist es mir übrigens auch ergangen). Ein herrlich leichtes Terrassen-Gesöff, man möchte es direkt der Frau aus der Raffaelo-Werbung in Hand drücken.