Der Kirchturm von Udby in der Nähe der Weingüter von Bognæs.
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Skål! Weinbau in Dänemark

Wenn Dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade draus. Und wenn Dich Dein Urlaub als Weinblogger nach Skandinavien führt, mach trotzdem einen Artikel draus.

Gleich in meiner allerersten Publikation dieses Blogs, im Oktober 2023 datiert, habe ich mich mit jugendlicher Feder bereits dem Weinbau in Dänemark gewidmet – zugegeben noch in äußerst kurzer und überschaubarer Form. Nach einem erneuten Besuch im Königreich möchte ich das Weinland Dänemark nun etwas stärker in den Vordergrund rücken. 

Beginnen wir trocken (ist ja schließlich ein seriöser Weinblog) mit ein paar Zahlen: Der Branchenverband Dänische Weinvereinigung (Foreningen Dansk Vin) zählt 96 kommerzielle Weingüter im ganzen Land. Diese Zahl geht allerdings auf das Jahr 2017 zurück. Es ist also stark anzunehmen, dass dieser Wert in den letzten acht Jahren sicherlich dreistellig geworden ist.
Ähnlich knapp im dreistelligen Bereich liegt die Rebfläche an kommerzieller Wein-Nutzung bei rund 100 Hektar (zum Vergleich: Allein die österreichische Hauptstadt Wien kommt schon auf 700 Hektar). Aber es soll ja auch schließlich alles schön hyggelig bleiben.

Die Reben von Tusen Vin im dänischen Bognæs.
Eine dänische Rebe müsste man sein: Die Trauben von Tusen Vin im dänischen Bognæs blicken direkt auf den Holbæk-Fjord.

PiWis: Etwas ist nachhaltig im Staate Dänemark

Sechseinhalb dieser rund 100 Hektar bewirtschaften Sofie Saerens und Esben Misfeldt vom Weingut Tusen Vin in Bognæs in der dänischen Gemeinde Tusen Næs Sogn auf der Insel Seeland. 2020 haben die beiden Weinpioniere den Grund und Boden direkt am Holbæk-Fjord übernommen und betreiben seitdem ökologischen Weinbau. Wenig überraschend besteht ihr Rebgarten ausschließlich aus PiWi-Sorten (pilzwiderstandsfähige Neuzüchtungen): Solaris, Souvignier Gris und Muscaris für Weißwein, Cabernet Cantor für Rotwein. Solche PiWi-Sorten haben nicht nur den Vorteil, dass sie resistenter gegen Rebkrankheiten wie Echten und Falschen Mehltau sind, sondern auch robuster, wenn es um Wetter-Unbilden wie Hagel, Kälte oder Starkregen geht. Spätestens jetzt weiß jeder erfahrene Dänemark-Urlauber: Das müssen hier die Reben der Wahl sein.

„Als Biobetrieb sind wir in unseren Möglichkeiten der Krankheitsbekämpfung, etwa durch Spritzungen, sehr eingeschränkt und daher auf resistente Rebsorten angewiesen“, erklärt Winzer Esben Misfeldt den Fokus auf seine Rebsorten. Denn gerade für einen ökologischen Betrieb wie Tusen Vin haben sie den wichtigen Nebeneffekt, dass sie durch ihre Robustheit auf weniger Pflanzenschutzmittel angewiesen sind. Nachweislich sind PiWis also nachhaltiger als Riesling, Pinot Noir und Co.
Und der Boden? „Hier haben wir leicht sandigen Lehm“, führt Misfeldt aus und fügt hinzu: „Der Unterboden ist durch Kiesmaterial unterschiedlicher Herkunft gekennzeichnet.“

Sofie Saerens und Esben Misfeldt vom Weingut Tusen Vin in Bognæs. (Copyright: Tusen Vin)
Sofie Saerens und Esben Misfeldt vom Weingut Tusen Vin in Bognæs. (Copyright: Tusen Vin)


Litschi und Bienenwachs statt Softeis und Bacon

Und vielleicht ist dieser Boden auch ein Grund dafür, dass der Weinbau gerade in dieser Ecke Dänemarks zu florieren scheint. Denn keine zwei Kilometer weiter entfernt liegt das Weingut Bognæs Vingaard. Hier bewirtschaften Laura und Kristian Zander auf vier kleinen Weinbergen – okay, nennen wir sie Hügel – den Boden mit Solaris, Souvignier Gris, aber auch mit der alteingesessenen und doch recht kapriziösen Sorte Pinot Noir. Scheint den beiden jedenfalls gut zu gelingen, denn auch sie arbeiten nach ökologischen Grundsätzen.

Beim dänischen Edeka-Äquivalent Brugsen habe ich meine letzten Kronen nicht etwa für eine opulente Aufschnittplatte an der Frischetheke oder eine LKW-Ladung Lakritz ausgegeben, sondern für eine Flasche Karla Solaris von Bognæs Vingaard. Zum dänischen Preisniveau später aber mehr …

Aus dem Glas strahlt mich ein helles Goldgelb an, das an die umliegenden Weizenfelder erinnert. In der Nase macht sich schlagartig ein exotischer Duft breit, der an Litschi, aber auch Dosenfrüchte erinnert. Dazu gibt es eine Prise Bienenwachs. Am Gaumen ist sogleich eine lebendige Säure präsent, die irgendwo zwischen Moselriesling und gängigem Grauburgunder liegt … erstaunlich. Bei einem Blind-Tasting wäre ich jedenfalls niemals auf dänische Ostseeküste gekommen. Allerdings geht dem Solaris hintenraus recht schnell die Puste aus.

Eine geöffnete Flasche Karla Solaris von Bognæs Vingaard.
Der Karla Solaris von Bognæs Vingaard: Erstaunlich viel Exotik von der dänischen Ostseeküste.

Problematisch: Dänischer Wein macht die Geldbörse klein

Dänemark und Weinbau: Das klingt alles erstmal sehr aufregend und geradezu nach Aufbruchstimmung in Zeiten des Klimawandels. Doch welche Chancen und welche Bedeutung wird dänischer Wein zukünftig wirklich haben? Das weiß allein Bacchus. Aber zumindest kann man Mutmaßungen anstellen.

2023 hatte ich in diesem Artikel in aller Kürze das jütländische Weingut Skærsøgaard Vin vorgestellt. Es ist das einzige dänische Weingut, das Sekt von der Stufe Qualitätswein herstellen und als solchen verkaufen darf – also nach EU-Statuten in einer Liga mit der Champagne, dem Rheingau oder der Rioja spielt. Der Hintergrund: Die Region Dons, in der Skærsøgaard Vin liegt, wurde in Brüssel als „geschützte Ursprungsbezeichnung“ eingestuft.

Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass der Rest dänischer Weingüter – Stand jetzt – maximal Wein der Kategorie Landwein produziert. Das ist per se nichts Schlechtes. Aber jetzt kommt das skandinavische Preisniveau ins Spiel: Für die Flasche Solaris habe ich im Supermarkt umgerechnet knapp über 30 Euro bezahlt (in Worten: DREISSIG EURO). Wenn man innerlich rasch überschlägt, und das macht jeder Weinfan an dieser Stelle, welche anderen Weine ich für diesen Betrag auch hätte erwerben können (die ersten Großen Gewächse grüßen hier schon aus dem Regal, ein französischer Cremant von Format oder eine Gran Reserva aus der Rioja), wählt man als passende Begleitung zu dem Wein automatisch einen Blister Antidepressiva.

Auch ein Weißwein-Liebhaber aus Kopenhagen oder Oslo würde sich im Zweifel für den Preis eher einen hervorragenden Riesling aus Deutschland oder dem Elsass holen. Wir kennen das von Weinbetrieben aus Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern, die ebenso Landwein herstellen: Denen rennen wir als Deutsche ja auch nicht die Bude ein, sondern kaufen Grauburgunder aus Rheinhessen.

Typische Landschaft im Norden der dänischen Insel Seeland.
Typische Landschaft im Norden der dänischen Insel Seeland mit akuter Ohrwurm-Gefahr: „Ein Bett im Kornfeld“.

Der Blick geht nach England

Gleichzeitig müssen diese kleineren Betriebe, gerade wenn sie Pionierarbeit leisten wie Tusen Vin oder Bognæs Vingaard, aber zweifelsohne auch einen gewissen Preis für ihre Flaschen einfordern. Das ist völlig klar. Immerhin trotzen sie dem teilweise unwirschen Wetter Weine von beachtlicher Qualität ab – eine Arbeit, die unbedingt gewürdigt werden muss.

Und so wagt Esben Misfeldt von Tusen Vin einen, wie ich finde, recht klugen Ausblick in die Zukunft: „Der dänische Wein entwickelt sich schnell, aber wir befinden uns in einem sehr frühen Stadium dieser Entwicklung. Ich stelle mir vor, dass wir in 25 Jahren eine Weinindustrie haben werden, die der englischen Weinindustrie ähnelt, aber auf Hybridtrauben basiert. Ein anerkanntes Weinland, das qualitativ hochwertige Schaumweine herstellt.“ Die Rede ist also nicht von einer Neuerfindung des Burgunds zehn Breitengrade nördlicher, sondern einer Orientierung in einem Segment, wo ein Cool-Climate zwingend vonnöten ist: nämlich dem Schaumwein. Und dazu passt eine aktuelle Meldung, wonach der britische Weinbau derart konstant wie rasant wächst, dass 90 Prozent der Weinproduzenten in den kommenden Jahren neue Mitarbeiter, teilweise in Vollzeit, einstellen wollen.

Vergleichbare Ambitionen wie die Dänen haben freilich auch Weingüter in Belgien oder den südlichen Niederlanden und feiern bereits erste Erfolge. Ob Dons oder Bognæs in 25 Jahren dann ähnlich verheißungsvoll in den Ohren klingen wird wie Champagner heutzutage, daran dürfte selbst Bacchus aber seine Zweifel haben.

2 Comments on “Skål! Weinbau in Dänemark

  1. Die Dänen kommen!

    Für die deutsche Weinbranche sind die Dänen unverzichtbar. Zur Urlaubszeit, wenn es heißt “ Die Dänen kommen!“ verkosten und genießen Unmengen von Skandinaviern, aber vor allem Dänen zum Teil sehr fachkundig deutsche Rieslinge & Co. Und kaufen ein !

    Insofern war dieser Bericht „Weinbau in Dänemark“ hochinteressant, toll geschrieben und inspiriert, einmal selbst die dänische Weinlandschaft zu erkunden. Aber vielleicht warten wir noch ein bisschen….

  2. Danke für Deinen Kommentar. Das glaube ich gerne. Gerade Iphofen, wurde mir gesagt, sei auch ein typischer Transitort für Skandinavier, die weiter nach Italien fahren.

    Sollte sich ein dänisches Weingut allerdings erdreisten, seinen Wein in einen Bocksbeutel abzufüllen, sag ich Dir sofort Bescheid 😉

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