Aus unserem sympathischen Nachbarland kommen nicht nur Pommes, Pralinen und mittelmäßige Fußballvereine, sondern auch … Weine.
Und das schon seit dem 9. Jahrhundert. Die mittelalterliche Warmzeit mit einem milden Klima machte es damals (ein sehr dehnbarer Begriff) möglich. Und dass das Geschäft mit dem Wein so florierte, hatte zum einen damit zu tun, dass die Kirche auf Messwein angewiesen war, zum anderen, dass Wein schlicht keimfreier war als Wasser.
Ab dem 16. Jahrhundert begann dann aber die kleine Eiszeit und viele Ernten gingen den Bach bzw. den Weinberg runter. Zudem wurde Bier immer populärer (übrigens auch ein ganz aktuelles französisches Problem) und Wein aus dem nahegelegenen Burgund schmeckte dann doch irgendwie besser.
„Idealer“ Boden für Chardonnay
Seit einigen Jahren hat der Weinbau in Belgien aber wieder ordentlich Fahrt aufgenommen. In Sachen Schaumwein haben Paul Vleminckx und An Lefever südlich der Stadt Löwen in Brabant 1994 damit begonnen, einen Weinberg mit Chardonnay zu bepflanzen – nach Vorbild der Champagne. Anfangs für ihr Vorhaben belächelt, haben beide für ihren Chardonnay Meerdael mittlerweile mehrere Auszeichnungen erhalten. Die Weine durchlaufen, wie ihre Idole in der Champagne, die traditionelle Flaschengärung und firmieren unter der geschützten Ursprungsbezeichnung „Vlaamse Mousserende Kwaliteitswijn“.
Im Gespräch mit Traubengucker verrät Paul Vleminckx, warum sich die Trauben in seinem Weinberg so wohl fühlen: „Kalksandiger Boden mit Silex und Sandstein mit einer Mergelschicht in drei Metern Tiefe – ideal für die Chardonnay-Traube.“
Schon die Einstiegsflasche in die Welt der belgischen Bubbles überrascht bis ins kleinste Atomium mit einer feinen Perlage, die großen Spaß macht und grünem Apfel in der Nase.
Erst, wenn der flämische Freund etwas wärmer im Glas wird, entwickeln sich auch die erhofften Autolyse-Noten (Brioche!), wenn auch recht verhalten. Dazu sind die mindestens 12 Monate Hefelager dieses Blanc de Blancs etwas zu kurz (wiederum nicht so sehr Champagne).
Belgische Bubbles: Kühles Klima, heiße Preise
Insgesamt erwirtschaften rund 250 Betriebe auf 800 Hektar (Quelle: Der kleine Johnson) vor allem Weiß- und eben Schaumwein – schließlich befinden wir uns noch immer in einem kühlen Klima.
Sortenmäßig sind wir hier vorwiegend bei den Burgundertrauben wie Chardonnay, Auxerrois oder Pinot Blanc. Und natürlich spielen in dieser Zone auch resistente Recken wie Johanniter oder Solaris eine Rolle. Erwähnenswert sind unter den sieben Appellationen des Landes die drei Hs: Hageland, Heuvelland und Haspengouw.
In letzterer geschützter Ursprungsbezeichnung befindet sich eines der renommiertesten Weingüter des Landes: das Wijnkasteel Genoels-Elderen. Auch hier wird auf Chardonnay geschworen. Neben Schaumweinen bringt das Weingut, das grob zwischen Genk und Lüttich liegt, aber auch Stillweine in die Flasche – sogar einen Pinot Noir.
Wie schon beim Meerdael Chardonnay orientiert sich auch der Chardonnay Blauw von Genoels-Elderen aus dem mittleren Preissegment in Richtung des großen Nachbarlandes. Stilistisch wird hier deutlich das Burgund anvisiert. Im Glas haben wir einen hervorragenden Begleiter etwa für Muscheln.
Wo kann ich belgischen Wein kaufen?
Wer sich dafür entscheidet, mal einen belgischen Wein zu probieren, kommt in der Regel aber nicht drum herum, ihn übers Netz zu beziehen. Neben foodbelgium, bietet vor allem BeNeLux Wine eine spannende wie umfangreiche Auswahl an belgischen, luxemburgischen sowie niederländischen (!) Weinen.
Gleichzeitig muss man erwähnen, dass das Preisniveau für belgischen Wein schnell anstrengend für den Geldbeutel werden kann. Die Margen sind halt doch im überschaubaren Bereich. Und was rar ist, wird schnell teuer.
Belgischer Wein – ein Gewinner des Klimawandels?
Übrigens: Belgischer Schaumwein passt perfekt zu Pommes. Und um die Frage aus der Überschrift zu beantworten: Ja, belgischer Wein ist eine Bereicherung und wird im Zuge des Klimawandels sicherlich und vor allem bei den Schaumweinen noch von sich Reden machen.
Dass der Klimawandel für ein verhältnismäßig kühles Anbauland wie Belgien in Hinblick auf die Durchschnittstemperatur aber per se nur Vorteile mit sich bringt, kann Winzer Paul Vleminckx nicht behaupten: „Die Frühlinge sind heißer, was zu einem früheren Beginn der Saison führt. Größere Temperaturschwankungen und größere Feuchtigkeitsschwankungen führen aber je nach Jahr zu einer viel größeren oder einer viel kleineren Ernte als der Durchschnitt.“
Vielen Dank für den sehr informativen und kurzweiligen Beitrag zu belgischen Weinen. Ich finde das Food Pairing belgischer Bubbles mit Pommes durchaus reizvoll.
Der Flame sagt dankjewel, der Wallone merci! 😉
Das war lesenswert! Ich hatte Belgien als Weinland nie auf dem Schirm und gebe zu, Pommes und Bier und somit Belgien waren für mich immer eher uninteressant. Die belgische Schokolade vielleicht…
Aber jetzt in so spannender und auch unterhaltsamer Form aufgeklärt zu werden, war ein Gewinn. Ebenso die Hinweise auf Bezugsquellen, um zumindest schon einmal mit belgischen Bubbles im Freundeskreis angeben zu können. Vielen Dank!
Danke, liebe Lynda, das freut mich sehr. Und dazu schön Jacques Brel auflegen und dabei sehnsüchtig an den grauen Himmel von Ostende denken.