Im Osten geht für die Weinindustrie derzeit die Sonne unter. Anfang des Jahres schrieb das österreichische Weinmagazin Falstaff, dass sich der Weinkonsum in China in den letzten fünf Jahren glatt halbiert habe. Dies überrascht einerseits, weil die boomende (und oft kopierende) chinesische Weinindustrie in den vergangenen 20 Jahren mit Bleifuß von der Überholspur grüßte. Andererseits ist die weltweit darbende Luxusindustrie vor allem in ihrem einstigen Prestige-Land stark am Schwächeln. Und Wein ist im Reich der Mitte vielerorts ein Luxusgut.
Eine Rebsorte, die einem beim Thema China fast zwangsläufig über den Weg läuft, ist Cabernet Gernischt. Was hat es damit auf sich? Neben den traditionellen und bekannten Bordelaiser Rotweinsorten Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc gibt es mittlerweile eine ganze Fülle an pilzwiderstandsfähigen Neuzüchtungen (PiWis) wie Cabernet Cortis, Cabernet Dorsa oder Cabernet Carbon. Die Cabernet Gernischt zählt hier jedoch nicht zu, vielmehr galt sie jahrelang als ureigene chinesische Sorte. Diese Geschichte hatte sich aber spätestens mit der Möglichkeit von DNA-Analysen auserzählt, die offenlegten, dass es sich bei der Rebsorte um Carménère handelt. Carménère stammt ursprünglich ebenfalls aus dem Bordeaux, ist nach der Reblauskatastrophe in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch nahezu komplett aus Frankreich verschwunden. In Chile hat Carmenère aber eine neue Heimat gefunden und ist dort sogar zur Leitsorte avanciert.
Aus Jiddisch oder Deutsch wurde Kauderwelsch
Das Interessante ist und bleibt das merkwürdige Synonym Cabernet Gernischt. Wie es etymologisch dazu kam, erzählen zwei Legenden: Die erste führt in die chinesische Hafenstadt Shanghai, in der es seit jeher jüdische Händler gab, die unter anderem auch Wein vertrieben. Einer dieser Händler ahnte wohl schon, dass es sich bei jenem Wein eben nicht um eine Cabernet-Sorte handelte, und schrieb auf Jiddisch „gornischt“ (also gar nicht!) hinter das Wort Cabernet. Und nach dem Stille-Post-Prinzip wurde daraus irgendwann „gernischt“.
Das andere Narrativ der Namensherkunft beruft sich auf die Annahme, dass man die Rebsorte für eine Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc hielt – genauer: ein österreichischer Weinmacher der Kellerei Yantai Changyu, der diese vermeintliche Kreuzung als Cabernet „gemischt“ beschrieb. Und aus „gemischt“ wurde auch hier „gernischt“.
Welche der beiden Geschichten am Ende der Wahrheit entspricht, ist dabei eigentlich egal – beide sind einfach zu gut, um widerlegt zu werden. Und wer weiß, vielleicht fällt einem nach dem zweiten Glas auch eine ganz eigene ein. Sicher ist dagegen: Zu einem kräftigen Fondue Chinoise greifen Sie mit einem Cabernet Gernischt gornischt daneben. Und auch die traditionelle Pekingente ist in Sachen Weinbegleitung recht flexibel.
Cabernet Gernischt! Noch nie gehört! Ich beschreite liebend gern Neuland und
habe ein Sy Sy dazugelernt.
Wie vom Traubengucker gewohnt, köstlich beschrieben und tief recherchiert.
Ich habe in Hamburg versucht ihn zu kaufen, aber ich habe ihn gornischt gefunden. Wei geschrien!
In der Tat ein putziges Synonym. Danke für Dein Feedback, liebe Lynda. Ich bin recht selten im Reich der Mitte, würde aber beim nächsten Mal natürlich einen Cabernet Gernescht mitbringen.
Bis dahin müssen wir uns mit einem Glas Taittinger Rosé begnügen 😉.